Auch der Branchenverband der Digitalwirtschaft Bitkom sieht Bedarf für den Branchen-übergreifenden Dialog und hat auf der BAU Messe 2017 in München einen Versuch gestartet, stärker mit Architekten und der Baubranche in Dialog zu treten. Dazu wurde vormittags zunächst intern diskutiert, welche Zielgruppen relevant sind und wie man sich hier positionieren möchte: stärker auf Seiten der Endverbraucher oder mit mehr Fokus auf Multiplikatoren wie große Bauträger, Architekten- und Planungsbüros oder Handwerker bzw. deren Ausbildungsstellen. Man war dabei auch verwundert darüber, dass Smart Home oft als Spielerei und überflüssig eingestuft wurde, während Smart Buildings bzw. Gebäudeautomatisierung in Bürogebäuden und öffentlichen Einrichtungen andererseits als normal eingestuft würden. Bei der Diskussion wurde wieder einmal deutlich, dass auf Seiten der IT ähnlich wie auf Seiten der Elektrotechnik auf der ELTEC letzte Woche, überwiegend Vorurteile das Bild der anderen Marktteilnehmer bestimmen und wenig Details bekannt sind. Während die eine Seite mit Äußerungen wie „KNX ist ja altmodisch und überholt“ aufwartet, traut die Gegenseite der IT außer „Insellösungen“ und „Flickwerk“ nichts zu.
Zumindest die IT-Seite konnte sich beim mittäglichen Rundgang auf der Messe und Produktpräsentationen bei Busch& Jäger, Gira Jung und Merck ein Stück weit in die Realität holen lassen und die ausgereiften Lösungen der Anbieter bestaunen. Für mich war in erster Linie die Offenheit bemerkenswert, mit der die Firmenvertreter über interne Einschätzungen sprachen. Der Gira-Sprecher bezifferte den geschätzten Anteil von KNX am Smart Home Markt auf 20%, während sich in den übrigen 80% Anbieter wie Apple, Google und Samsung tummelten, aber man auch selbst mittels ENet ein kleines Stück vom Kuchen abhaben möchte. Auch neue Einstiegsangebote wie der kleine Bruder des Gira Home Servers 4 namens KX1 zielten darauf ab stärker in Privathaushalten Fuß zu fassen. Diese Ambitionen wurden weiter durch eine Partnerschaft mit Miele, sowie einer Anwendung für die Virtual Reality Brille Oculus Rift unterstrichen, die man auch gleich am Stand ausprobieren konnte.
Jung wiederum ließ verlauten, dass aufgrund des KNX Standards die Differenzierungsmerkmale zu anderen Anbietern gering wären und man aufgrund der gemeinsamen Tochter Insta, die für Jung und Gira Lösungen entwickelt insb. mit Gira viele Ähnlichkeiten habe. Nur die Materialanmutung und Haptik biete noch Raum für Eigenständigkeit. Da verwundert es wenig, dass die Schalterprogramme auf den Ständen im Vordergrund standen, insb. da die Anbieter rund ¾ des Umsatzes mit Schaltern und Steckdosen machen.
Ganz anders war das bei Busch&Jäger. Die hatten tatsächlich Smart Home als Hauptthema für den Messestand erkoren und zeigten bereitwillig ihre „Einsteigerlösung“ free@home, die nicht nur einsteigerfreundliche Preise hat, sondern sich auch durch besonders einfache Programmierung in Drag&Drop Manier auszeichnet. Obwohl die laut Hersteller auch für den Kunden selbst vorgenommen werden könnte, entscheidet letztlich der Handwerker, ob der Kunde es denn auch darf. Das dreistufige Berechtigungsmodell kann durch den Handwerker beeinflusst werden. Der Hausherr selbst kann das, was ihm der Handwerker als Administrator zubilligt und seinerseits die Rechte für „Gäste“ bzw. weniger privilegierte Bewohner festlegen. Das Zuordnen von Schaltern zu Aktoren klappte in der Vorführung dann auch tatsächlich gut und konnte sofort getestet werden. Die zur Verfügung stehenden Geräte werden vom Server automatisch erkannt. Eine Zuordnung von Adressen zu Geräten entfällt damit. Die Geräte müssen nur den Räumen zugeordnet werden. Über die grafische Ansicht des Wohnungsgrundrisses kann auch direkt geschaltet werden. Auch die Sprachsteuerung klappte im Test. Der Sprecher musste dazu allerdings nah ans Mikrofon gehen. Ob das im ruhigen Haus auch so ist, oder nur aufgrund des Messelärms notwendig war blieb offen.
Auf der restlichen Messe war Smart Home kaum ein Thema. Die Halle mit Bau-IT beschäftigte sich ausschließlich mit der Planung und Vermessung. Die Lüftungstechnik sieht scheinbar keinen Bedarf an Integration in etablierte Smart Home Systeme. Selbst KNX-Anbindung war meist Fehlanzeige. Ein Anbieter namens Kermi warb mit Smart Home, meinte damit aber sein eigenes System, dass neben der Lüftung auch das hauseigene Wärmepumpen und Flächenheizungssystem integriert.
Beeindruckend waren die Smart Glass Vorführungen bei Merck. Dort kann man wahlweise Außenfenster mit Abdunkelung auf Knopfdruck, oder auch Innenraumtrennwände mit Wechsel zwischen transparentem und milchigem Glas ordern. Das behebt das Problem mit den wind-abhängigen Außenrollos, bringt aber keine starke Verdunkelung und auch bzgl. des Wärmeeintrags nur einen geringen Unterschied zwischen hell (Solar g-Wert 0,45) und dunkel (Solar g-Wert 0,31). Andere Anbieter bauen die Rollos daher lieber zwischen zwei Fensterscheiben.
Am Nachmittag gab es zwei Vorträge mit anschließender Podiumsdiskussion über die Rolle der Multiplikatoren bei der Verbreitung des Smart Homes in Deutschland. Elske Ludewig von der eResult GmbH präsentierte Ergebnisse einer Befragung von 169 potenziellen Multiplikatoren aus der Bau und Elektrotechnik, sowie dem Handwerk. Dabei wurden hohe Kosten als ein Haupthemmnis genannt (67%). Mit Abstand folgten Daten(un)sicherheit sowie mangelnde Kompatibilität bzw. Standardisierung (~50%). In der Studie wurde jedoch auch deutlich, dass es den Leuten an Fachwissen und Weiterbildungsmöglichkeiten mangelt. GeneriS ist also scheinbar eine rühmliche Ausnahme.
Nach einer Vorführung eines digitalstrom-Partnerunternehmens kamen zur Podiumsdiskussion neben hochrangigen Vertretern von digitalstrom und Autodesk auch Dr. Andreas Goerdeler, ein Ministerialdirigent des BMWi aus Berlin. Letzterer präsentierte sich überraschend gut informiert und sprach sowohl Probleme offen an („Die Qualifikation von Handwerkern ist das Wichtigste um Smart Home in die Breite zu bringen“), als auch lobend über Standardisierungsbemühungen der OCF. Darüber hinaus gab er einige Anekdoten von der CES in Las Vegas zum Besten und amüsierte sich dabei v.a. über smarte Katzenklappen, die vom Tier selbst bedient werden können, was wohl auf der Messe omnipräsent war. Laut Michael Schidlack von digitalstrom hinke der Deutsche bzgl. der Offenheit für Smart Home Technologien deutlich hinter Nachbarn aus der Schweiz, den Niederlanden und Skandinavien hinterher. Andererseits scheinen die Briten noch zögerlicher zu sein. Für ihn war auf der CES das Thema Amazon Echo/Alexa das Highlight, was aus seiner Sicht Apps im Smart Home mittelfristig verdrängen wird und er freute sich, dass digitalstrom schon damit kompatibel ist.
Auch die Beiträge aus dem Publikum waren sehr interessant. So wurde z.B. festgestellt, dass in den Universitäten im Architekturstudium noch nicht einmal das Thema Energieeffizienz geschweige denn Smart Home angekommen ist. Auf eine andere Nachfrage dazu, wie die komplexe Systemintegration im Smart Home angesichts des Fachkräftemangels zu bewerkstelligen sei, meinte der Digitalstromvertreter, dass sich das Problem wie schon bei der Netzwerkverkabelung von Computern in absehbarer Zeit durch bessere Technik sich selbst lösen würde. Digitalstrom arbeite schon intensiv an sich selbst konfigurierenden Bauteilen.